Rittersporn:
Rittersporn kämpfte.
Der Alkohol, den er getrunken hatte, pochte in seinen Venen und stumpfte seine Sinne ab. Dröhnende Schmerzen hämmerten durch seinen Schädel. Er atmete im Rhythmus seiner Qualen aus.
Der Barde fluchte leise. Seine Übelkeit ließ erst dann nach, als er den Wodka auf heftigste Weise aus seinem Körper entfernt hatte. Trotz seiner Bemühungen wurden die Laken Opfer dieser Genesung. Noch einmal fluchte er, dann machte er zögerlich einen ersten Schritt aus dem Bett. Dann noch einen, obwohl seine Füße über den unebenen Boden torkelten. Der Durst packte ihn bei der Kehle.
Er griff verzweifelt nach dem Wasserkrug, während er versuchte, sich an den Vorabend zu erinnern.
Das Frühlingsfest, diese uralte Tradition, die man von den Elfen abgekupfert hatte, zog Menschen von weit und breit in die kleine Stadt Gulet. Es war eine prunkvolle Feier mit großzügigen Mengen Essen und Alkohol, doch etwas kultivierte Unterhaltung fehlte noch. Bis der Bürgermeister einen jungen Dichter für seine berühmten Talente angeheuert hatte …
Die Belohnung ist zu gering, dachte Rittersporn sich, während er die letzten Wassertropfen vom Rand des Krugs leckte.
Viel zu gering.
Geralt:
Geralt kämpfte.
Die Tränke, die er getrunken hatte, verweilten noch in seinen Venen und schärften seine Sinne. Feuchte Luft hatte gestern Nacht in seinen Lungen geklebt. Er atmete schnaufend im Rhythmus seiner Angriffe aus.
Der Hexer fluchte laut, während er versuchte, sein Schwert in das von Schuppen geschützte Fleisch der Kreatur zu stoßen. Als es ihm endlich gelang, verkroch sich die verletzte Kreatur unter Wasser. Trotz ihrer enormen Größe verschwand sie augenblicklich. Noch einmal fluchte er atemlos, dann machte er zögerlich einen Schritt vorwärts. Dann noch einen, obwohl der dickflüssige Matsch an seinen Beinen klebte. Etwas Glitschiges kroch über seinen Stiefel und ließ ihn bis ins Mark erschaudern.
Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, als hinter ihm schwarzes Wasser aufspritzte.
Die riesige Vipper, die sicherlich genauso alt war wie der Sumpf selbst, hatte jahrelang um Gulet herum gejagt. Jahrelang hatte sie getötet, war gewachsen und die Schuppen, die ihren ganzen Körper bedeckten, waren undurchdringlich fest geworden. Bis der Bürgermeister einen Hexer angeheuert hatte, um das Biest aufzuhalten …
Die Belohnung ist zu gering, dachte Geralt sich, während er einem Giftstrahl auswich.
Viel zu gering.
Kapitel 2Rittersporn:
Als die Tochter des Bürgermeisters die monströse Schweinerei sah, zuckte sie voller Ekel zusammen. Dennoch trat sie in das Zimmer, in dem ihr Vater den Gast untergebracht hatte. Sie blieb beim Bett stehen und warf Rittersporn einen vielsagenden Blick zu.
Er war es gewohnt, dass andere auf ihn herabsahen, nachdem sie eine solche Kleinigkeit gesehen hatten. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, ein ungemein charmantes Lächeln aufzusetzen. Und es wäre schwer, ein entwaffnenderes Lächeln als Rittersporns finden.
Aber die Tochter des Bürgermeisters seufzte resigniert.
Noch erstaunlicher war, dass sie ihm gegenüber abweisend war und ihn nur kühl an seinen Auftritt beim Frühlingsfest erinnerte. Sie verlangte, dass es dort reichlich Dichtung und Gesang gebe – und der junge und, ihrer bescheidenen Meinung nach, mäßig talentierte Barde hatte keinerlei Entschuldigung, nicht dafür zu sorgen.
Rittersporn warf einen Blick auf ihre eher enttäuschende Brust, über die er in Gedanken bereits ein gemeines Spottlied dichtete.
Wieder grinste er.
Geralt:
Als der Bürgermeister die monströse Trophäe sah, zuckte er voller Ekel zusammen. Dennoch spähte er neugierig in das weit offenstehende Maul und versuchte, die Zähne der Vipper zu zählen. Nach über dreißig gab er auf und warf Geralt einen vielsagenden Blick zu.
Der Hexer zuckte mit den Schultern. Auftraggeber wie der Bürgermeister neigten oft dazu, ihn um seine Bezahlung prellen zu wollen. Es war jedoch bedeutend schwerer, mit ihm zu diskutieren, während ein abgehackter Vippernkopf auf dem Tisch lag.
Und so zahlte der Bürgermeister von Gulet wie ausgemacht.
Noch erstaunlicher war aber, dass er Geralt auch ein wenig Gastfreundschaft zeigte und das Frühlingsfest in den einladendsten Worten beschrieb. Dort sollte es großzügig Alkohol und deftiges Fleisch geben und dazu den Auftritt eines jungen, talentierten Dichters. Und so nötigte ihn der Bürgermeister ein wenig: "Entspannt Euch und genießt unsere Kultur ein wenig."
Geralt warf einen Blick auf den blutverschmierten Kopf, der das Büro des Bürgermeisters bereits mit bestialischem Gestank erfüllte.
Wieder zuckte er mit den Schultern.
Kapitel 3Rittersporn:
Nachdem er den Marktplatz erreicht hatte, ging Rittersporn auf direktem Wege zur Bühne, die für das Spektakel aufgebaut worden war. Um seine Verspätung wettzumachen, schlug er bereits die ersten Klänge auf seiner Laute an und begann das Konzert so auf eher unkonventionelle Art. Die untersetzte Händlerin, an der er vorbeiging, würdigte ihn trotz seines Könnens keines Blickes.
Dasselbe konnte man nicht über die unruhigen Leute vor der Bühne sagen.
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge und man ging ihm sofort aus dem Weg. Sogar ein weißhaariger Mann, in dem der gebildete Barde sofort einen Hexer erkannte, trat respektvoll beiseite. Die Bewohner von Gulet erkannten offensichtlich einen Virtuosen, noch bevor sie seine Musik gehört hatten. Ausgezeichnet! Also verbeugte Rittersporn sich so tief, dass die Reiherfeder an seinem Hut über die Pflastersteine streifte.
Dann erfüllte er das stille Verlangen der Menge.
Er schlug mit geschickten Fingern die Saiten der Laute an. Sowohl seine Schritte als auch seine Melodie hielten einen jeden in der Menge wie gebannt fest. Doch es war eindeutig seine majestätische Stimme, mit der er endgültig die Herzen seiner Zuhörer für sich gewann. Am Ende seines Auftritts sah er, dass er etwas Unmögliches vollbracht hatte.
Dort stand ein gefühlloser Hexer mit Tränen in den Augen, zu denen ihn zweifelsohne Rittersporns Dichtung gerührt hatte.
Geralt:
Nachdem er den Marktplatz erreicht hatte, suchte Geralt nicht sofort nach der Bühne. Zuerst kaufte er sich alles, was er benötigte, um den Tag auf jeden Fall genießen zu können: eine Flasche Wodka und einen Ring von Würsten. Die untersetzte Händlerin würdigte ihn keines Blickes.
Dies war jedoch die Ausnahme.
Ein Raunen ging durch die Menge und man ging ihm sofort aus dem Weg. Die einen warfen ihm verstohlene, angsterfüllte Blicke zu, die anderen starrten den weißhaarigen Hexer unverhohlen an. Geralt ignorierte sie alle, trank in Ruhe seinen Wodka und aß eine fettige Wurst.
Dann lenkten die Töne einer Laute die Menge ab.
Musik erklang aus Richtung der Stadthalle und wer auch immer sie spielte, war zweifelsohne verkatert, denn weder seine Schritte noch seine Melodie folgten einem erkennbaren Rhythmus. Aber als er zum Gesang ansetzte, war seine Stimme recht angenehm und das Lied selbst, genannt "Die Ballade von zwei winzigen Titten" war zwar vulgär, aber ziemlich amüsant. Dennoch befand Geralt nach dem Auftritt, dass das kulinarische Fest das künstlerische deutlich übertraf.
Der Stich des letzten Schlucks Wodka rührte ihn zu Tränen.
Kapitel 4Rittersporn:
Man musste zugeben, dass Musik die Sinne anregte. Der Barde hatte ein Talent für Reime, konnte gut singen und kannte sich mit weiblichen Reizen aus – also musste er äußerst begehrenswert sein. Und so stellten die Weiber besagte Reize nur allzu gerne zur Schau, was die Stimmung so sehr aufheizte, dass auch der Wodka keine Abkühlung brachte.
Auch wenn Rittersporn sich nicht an den Feierlichkeiten beteiligte, blieb er da und leistete einer der besonders eifrigen Bewohnerinnen von Gulet Gesellschaft. Er verspürte bald Freude. Eine Freude, nach der er sich seit dem Morgen gesehnt hatte.
Dann hörte er ein wütendes Brüllen und jegliche Hoffnung auf Freude verflüchtigte sich.
Der Barde lag untendrunter – sowohl unter der Bühne als auch unter dem Weib – und hatte sein … "Schwert" gezückt. Glücklicherweise konnte er es noch wegstecken, bevor bewaffnete Angreifer sein Versteck betraten. Und als sie mit erhobenen Waffen auf ihn zustürmten, wich er nicht zurück, sondern verteidigte erfolgreich seine Dame. Jedoch gab er vor, ein Schwächling zu sein, damit die Schurken ihn unterschätzten und er umso besser zuschlagen konnte. Dann tauchte plötzlich ein vertrauter Hexer auf, der offensichtlich seinen Lieblingsbarden retten wollte. Zwei furchtlose Helden gegen ein paar gewöhnliche Schläger.
Bessere Chancen konnte Rittersporn sich kaum vorstellen.
Geralt:
Man musste zugeben, dass Musik eine wilde Bestie besänftigen konnte. Die Leute, die Geralt zuvor feindselige Blicke zugeworfen hatten, aßen nun ebenfalls fröhlich Würste und tranken Wodka. Dazu gab es flotte Musik und das Tanzen munterte die Leute auf – also konnte Geralt gar kein schlechter Mensch sein.
Geralt beteiligte sich nicht an den meisten Feierlichkeiten, doch er blieb und sah den fröhlichen, tanzenden Bewohnern von Gulet zu. Er verspürte Glück. Ein Glück, das er schon viel zu lang nicht mehr gefühlt hatte.
Dann hörte er einen Schrei. Und das ganze Glück verflüchtigte sich.
Die Sinne des Hexers nahmen eine Rauferei unter der Bühne wahr. Er eilte mit dem Schwert in der Hand hin, aber dann steckte er die Klinge schnell wieder weg. Die Angreifer waren unbewaffnet. Sie hatten ihr Opfer fest gepackt – den jungen Barden von vorhin, der sich endlich von der vorherigen Nacht erholt zu haben schien. Sie schüttelten ihn heftig und holten mit bloßen Händen zum Schlag aus. Hinter ihnen schrie sich eine junge, halbnackte Maid die Seele aus dem Leib und versuchte erfolglos, zwischen die Angreifer und den verängstigten Barden zu treten. Es war eine einfache Gleichung. Vier Schläger gegen einen zusammengekauerten Mann, der sich offensichtlich kein wenig verteidigen konnte.
Geralt beschloss, die Lage ein wenig fairer zu gestalten.
Kapitel 5Rittersporn:
Sobald die Situation unter Kontrolle war, küsste Rittersporn die gerettete Maid und ging seiner Wege in die feiernde Menge. Vom Hexer verabschiedete er sich nicht, denn Männer brauchen in solchen Momenten keine Worte. Doch bald darauf bemerkte er, dass man ihm folgte, also drehte er sich gelassen um und streckte dem anderen Mann die Hand entgegen.
Der Hexer erwiderte die Geste ungeschickt und ergriff Rittersporn beim Ärmel anstelle der Hand. Er war offensichtlich so von Rittersporns Talenten überwältigt, dass er kaum ein Wort herausbrachte, doch wollte er sich zweifelsohne mit ihm unterhalten. Erst nach einer Weile gewann er die Fassung wieder und stellte sich als Geralt von Riva vor. Auch wenn er es nicht zugab, war es offensichtlich, dass er sich nach Gesellschaft sehnte. Die Arbeit eines Hexers musste so einsam sein, wo sein Pferd doch sicherlich sein einziger verlässlicher Gefährte war. Also schlug Rittersporn vor, dass sie sich an einen ruhigeren Ort begaben – ein bekanntes Bordell mit guter Küche. Aus Rücksicht dachte er sich eine Ausrede aus, weshalb er dorthin zurückkehren musste. Aber in Wahrheit handelte er aus reiner Güte heraus.
Und so zogen sie zusammen los.
Der Barde und der Hexer.
Geralt:
Sobald die Angreifer auf dem Boden lagen und die Frau sich angezogen hatte, wurde Geralt klar, dass etwas nicht stimmte. Der Dichter war verschwunden. Das war verdächtig, fand der Hexer. Dieser sogenannte "Vertreter der Hochkultur" war ein wenig zu schnell davongeschlichen. Hatte er ein schlechtes Gewissen? Hatte er etwas getan, was ein neues, eher fragwürdiges Licht auf die Geschehnisse werfen würde? Glücklicherweise war er noch nicht weit gekommen. Geralt erblickte ihn in der Menge bei der Bühne. Ebenso wie die Schläger zuvor packte er ihn bei seiner bunten Kleidung. Zuerst erschrak der junge Mann, doch dann besann er sich schnell. Er nahm seinen Hut mit der Reiherfeder ab, verneigte sich höflich und stellte sich als Rittersporn vor. Er versicherte, dass all dies nur ein Missverständnis gewesen sei, und versprach Antworten, wenn auch nur an einem angenehmeren Ort. Er hätte da auch bereits eine Idee, eine Art Bordell, wo er am Vorabend sein Hab und Gut hinterlegt hatte. Von der Bühne ertönten wütende Schreie und es war ganz offensichtlich, dass der Barde Hilfe benötigte.
Und so zogen sie zusammen los.
Der Barde und der Hexer.
Kapitel 6Rittersporn:
Schon als sie die Tür der "Kleinen Blume" erreichten, wusste Rittersporn, dass irgendein eifersüchtiger Rivale mordlustige Verfolger auf ihn angesetzt hatte. Er durchforstete sein Gedächtnis und erinnerte sich prompt an einen Mann aus Cidaris, der ihn eindeutig um seine Gabe beneidet hatte. Dieser feige, talentlose Drecksack! Nur eine erbärmliche Kreatur wie der würde einem fähigeren Kollegen irgendwelche Grobiane auf den Hals hetzen. Rittersporn konnte einen solchen Affront nicht guten Gewissens erdulden. Er musste sofort aufbrechen, um Gerechtigkeit einzufordern.
Doch seine Rache würde noch etwas warten müssen, denn der Barde hatte einen Hexer zu unterhalten.
Geralt, plump und raubeinig wie er eben ist, schien von der üppigen Besitzerin bezaubert zu sein. Rittersporn fragte sich, wann der Mutant wohl das letzte Mal ... aber entschied sich, diesen Gedankengang lieber nicht weiter zu verfolgen. Entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen, bestellte er bei der hübschen Bedienung ein paar der Köstlichkeiten, für die dieses Etablissement berühmt war. Der Barde ließ sich nicht lumpen und orderte seinem neuen Freund vom besten Wodka. Er hoffte, der Alkohol würde dem Hexer die Zunge lösen und ihn ein wenig gesprächiger machen.
Aber, ach ...
Er tat es nicht.
Im Laufe ihrer Reise musster der Barde allerdings zugeben, dass Geralt nach ein paar ordentlichen Drinks ein recht unterhaltsamer Geselle war. Rittersporn gelang es sogar, seinen vollen Namen aus ihm herauszukitzeln – Geralt Roger Eric du Haute-Bellegarde.
Die reine Wahrheit.
Geralt:
Es überraschte Geralt nicht, dass die stämmige Dame, der "Die kleine Blume" gehörte, bereits über die Situation im Bilde war. Gerüchte verbreiteten sich in derartigen Etablissements nämlich genauso schnell wie Seuchen. Sie berichtete ihm, dass die Frau, deren Jungfräulichkeit Rittersporn kürzlich gestohlen hatte, die kleine Schwester von vier Brüdern mit stark ausgeprägtem Beschützerinstinkt war. Als wäre das nicht schlimm genug, war sie obendrein einem wohlhabenden und ausgesprochen unangenehmen Händler versprochen. Eine Verbindung von unschätzbarem Wert für die Familie des Mädchens, so versicherte sie ihm. Na dann, Fall abgeschlossen, dachte sich Geralt. Er konnte reinen Gewissens seiner Wege gehen.
Doch fröhlich und sorglos wie er eben ist, begriff Rittersporn wie üblich nicht, in welch einer Zwangslage er sich befand. Seelenruhig, so als wäre er eben erst aus einem Tagtraum erwacht, bestellte der Poet zwei Portionen Grütze mit Zwiebeln und eine Flasche lausigen und dafür umso stärkeren Selbstgebrannten. "Vom Billigsten", murmelte der Barde und fischte die letzte Münze aus seiner Börse. Geralt wusste diese freundliche Geste aus Speis und Trank durchaus zu schätzen. Er wünschte sich nur, Rittersporn möge zur Abwechslung einmal den Mund halten – wenigstens beim Essen.
Aber, ach ...
Er konnte es nicht.
Der Hexer musste allerdings zugeben, je mehr von dem Selbstgebrannten er zu sich nahm, desto weniger ging ihm Rittersporns endloses Geschwafel auf die Nerven. Der Barde brachte ihm sogar ein Lied bei. Über die Jungfrauen von ... Vicavaro? Vicovoro?
So etwas in der Art.
Kapitel 7Rittersporn:
Dann wurden die beiden plötzlich an den Händen fortgezogen und mit dem Rücken gegen die Wand gepresst. Eigentlich ein schönes Gefühl, doch kaum war sein Blut in Wallung geraten, waren die Kurtisanen verschwunden ließen die beiden im Dunkeln zurück.
Rittersporn wartete ab, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten und der Boden aufhörte, sich zu bewegen. Frauen kannten einfach keine Gnade. Wie konnten sie sie nur so hängen lassen? Nach all den leidenschaftlichen Umarmungen? Er hätte seine eigene Laute verwettet, dass sie vorhatten, die beiden für Dienste bezahlen zu lassen, die nie ... vollzogen worden waren. Nun, wenigstens hatten sie ihnen etwas Alkohol dagelassen.
Rittersporn hob eine Flasche vom Regal, die ihm wie von selbst in die Hand fiel. Geralt murmelte Unverständliches ... Zuerst irgendetwas über Lärm. Dann faselte er davon, den Wein zu bezahlen, den sich der Barde eben genommen hatte. Vielleicht konnte der Hexer nicht anders, als immer nur das Negative zu sehen. Wo waren sie hier eigentlich ...? Nicht, dass es eine Rolle spielte. Für Rittersporn war derartiges Gerede reine Zeitverschwendung. Er war ein Dichter der Tat, nicht nur der Worte. Also trug er Geralt auf, endlich etwas Sinnvolles zu unternehmen! Zum Beispiel, an diesem gottverdammten Ort nach einem Ausweg zu suchen. Oder wenigstens einen Schluck mit ihm zu trinken. Aber der spröde Hexer brummte nur vor sich hin. Wer hätte gedacht, dass diese Mutanten echte Moralvorstellungen und ein Gewissen haben?
Nun, Rittersporn wollte sich nicht mit ihm streiten. Er war viel zu nüchtern für eine Auseinandersetzung über die Moralität seiner Handlungen. Also gab er nach und sorgte für eine großzügige Bezahlung, adressiert an die "Kleine Blume".
Geralt:
Zwei der Brüder kamen plötzlich durch die Vordertür gestürzt, während die anderen beiden weniger auffällig durch die Hintertür eintraten. Dank der freundlichen Hilfe der Kurtisanen konnten Geralt und Rittersporn ihre Verfolger abschütteln und in den Keller fliehen.
Der Hexer sah zur Decke hinauf und lauschte den Schritten der vier Männer über ihnen. Die zornigen Stimmen der Brüder, die lautstark das Bordell durchsuchten, hallten bis in den Keller hinunter. Geralt hatte überhaupt keine Lust auf einen weiteren Kampf, und Rittersporn ... Nun, Rittersporn war damit beschäftigt, das Weinregal in Augenschein zu nehmen.
Diebstahl schien allerdings ein mehr als undankbarer Weg, sich bei den Frauen für die geleistete Hilfe zu bedanken, merkte der Hexer säuerlich an. Entrüstet antwortete Rittersporn, dass er den Wein keineswegs gestohlen, sondern gekauft hatte. Es war ja nicht seine Schuld, dass die aktuelle Situation es ihm unmöglich machte, dafür zu bezahlen! Nichtsdestotrotz legte er die Flasche zurück und holte seine Schreibutensilien aus der Tasche. Geralt beobachtete schweigend, während der Barde einen Brief verfasste, in dem er erklärte, dass der Bürgermeister von Gulet die Rechnung begleichen würde. Der Dichter schrieb, dass er für seine letzte Darbietung noch nicht bezahlt worden war, und gerade in diesem Moment konnte nun wirklich niemand von ihm verlangen, die geschuldeten Münzen einzufordern. Der einzig sinnvolle Weg war, das Geld für den Wein auszugeben, der hier für ihn bereitlag.
Der Hexer wusste nicht, wie er einer solchen "Logik" begegnen sollte – was vor allem daran lag, dass seine Konzentration im Moment zu wünschen übrig ließ. Also stimmte er dem Dichter zu und nahm sich eine zweite Flasche vom Regal.
Kapitel 8Rittersporn:
Ha! Rittersporn jubelte, als er unverhofft einen Lichtschein wahrnahm ... Moment, wo waren sie hier eigentlich? Ach, unwichtig. Der Hexer redete von Flucht und vergaß dabei das Wichtigste – ihren Bedarf an mehr Wein.
Trotzdem, dieses Licht wies ihnen den Ausgang, oder? Hm, komischer Ausgang. So weit oben und ganz ohne Treppe ... Und Gitterstäbe statt einer Tür? Wenn das ein Ausgang war ... Bei allen Göttern, was verdammt noch mal war das?! Der Barde umfasste seinen Kopf. Ein plötzlicher Hieb warf ihn von den Füßen und verjagte zu allem Überfluss seinen Rausch. Sekunden später drehte sich der Raum auf den Kopf. Irgendjemand ... Geralt? ... warf den Dichter wie einen Sack Weizen von sich. Autsch!, stöhnte der, als er auf dem harten Stein aufkam. Aber ... er sah nach unten. Aha! Die letzte Weinflasche steckte immer noch unter seinem Wams. Er hatte sie gerettet! Oh, welch wunderbare Heldentat! Bestes Material für eine neue Ballade, oh, ja, und die würde der Barde persönlich verfassen. Nichts würde er auslassen, vor allem nicht diesen Bastard aus Cidaris. Ha!
Sofort teilte er Geralt seinen Gedanken mit. Der Hexer lachte! Rittersporn traute seinen Ohren nicht. Die Sache war todernst, und diese Pissnelke wagte es tatsächlich, zu lachen wie eine Frau, deren Jungfräulichkeit ... Moment, da war doch was. Er summte die Melodie, die er an dem Tag auf der Bühne dargeboten hatte. Und unter der Bühne ...? Hexer, forderte er seinen Kameraden auf, sing mit mir! Vielleicht erinnern wir uns dann ...
Nie im Leben, ernsthaft?! Niiieee im ... Wie konntest du nur, Geralt? So respektlos ... Und dir habe ich meinen Wein angeboten und meine Geheimnisse anvertraut! Verdammt, Mann, ich liebe dich doch wie einen Bruder!
Geralt:
Schsch, zischte er Rittersporn zu und versuchte festzustellen, was die da oben ... Moment, wer waren die noch gleich? Geralt erinnerte sich nicht. Hm, ist auch egal, dachte er.
Die sind inzwischen ohnehin fort, oder? Wahrscheinlich, aber wozu ein Risiko eingehen? Der Keller hatte ein Fenster, groß genug für einen erwachsenen Mann. Es war vergittert, aber ein wenig Aard würde dieses Problem schon lösen. Vorsichtig ... Ruhig ... Pest! Was zum Teufel?! Geralt schüttelte verwirrt den Kopf. Rittersporn versuchte, trotz des bebenden Bodens auf die Beine zu kommen und stolperte über seine eigenen Füße.
Das Fenster war fort, an seiner Stelle klaffte ein Loch.
Geralt drehte sich zur demolierten Wand der "Kleinen Blume" um. Plötzlich befand er sich außerhalb des Kellers in einer finsteren Gasse. Wie bin ich hier hergekommen ...?, fragte sich der Hexer. Das war bestimmt Rittersporn. Dieser Narr verdirbt immer alles ... Andererseits hat er Wein mitgebracht. Großartiger Mann.
Geralt griff nach der Flasche, nahm einen Schluck und lauschte dem endlosen Geschwafel des Dichters. Wie hieß seine letzte Eroberung? Und welcher Troubadour aus Cidaris?! Ach, Rittersporn, du Idiot. Der Mann ist dumm wie Brot. Das hier ist keine von diesen blöden Bardengeschichten, nur die unangenehmen Folgen einer belanglosen Liebschaft.
Der Hexer verlor schon wieder das Zeitgefühl. Wo waren sie eigentlich ...? Das unaufhörliche Gerede des Barden machte es Geralt unmöglich, sich zu konzentrieren. Hey, Dichter! Gönn unseren Ohren ein wenig Ruhe! Und bring Wein! Mehr Wein!
Schon gut, schon gut. Geralt winkte ab. Keine Sorge, ich respektiere dich. Ja doch! Ich liebe dich auch wie einen Bruder, Mann!
Kapitel 9Rittersporn:
Zu seiner Überraschung wachte Rittersporn nicht nur nicht in seinem eigenen Bett auf, sondern auch noch mit einer hübschen Maid an seiner Seite. Normalerweise hätte er sich über einen solchen Umstand gefreut, wenn da nicht diese unsäglichen Kopfschmerzen gewesen wären. An die Eskapaden der letzten Nacht mit seinem neuen Hexerfreund erinnerte er sich nur noch trübe. Entsetzt musste er feststellen, dass er seine Laute nicht unter seinem kreuz und quer über dem Boden verstreuten Habe finden konnte. Während er hektisch nach seinem Instrument suchte, warfen ihm die großen grünen Augen der Maid einen unbehaglichen scharfen Blick zu. Es wirkte fast, als würde sie etwas äußerst amüsieren.
Rittersporn machte eine Mine. Jetzt erinnerte er sich an den wichtigsten Teil seines Gesprächs mit Geralt. Der Hexer hatte ihm erklärt, warum ihnen eine Gruppe von Schlägern auf den Fersen war. Unter diesen Umständen mussten sie einsehen, dass es wohl das Beste wäre, die Stadt so früh wie möglich wieder zu verlassen. Doch statt fern der Stadttore von Guleta aufzuwachen, fand sich Rittersporn stattdessen im Haus des Bürgermeisters wieder, gleich neben einer grünäugigen Maid, die ihm auf zweitem Blick doch merkwürdig vertraut vorkam ... Die Lösung für sein Dilemma, so überlegte er, verbarg sich sicherlich hinter ihrem starrenden Blick. Dieser hatte sich zu einem beunruhigenden Lächeln verwandelt, das es ihm kalt den Rücken herunterlaufen ließ.
Da ihm sonst nichts Besseres einfiel, fragte Rittersporn sie endlich nach dem Verbleib seiner Laute und dem Grund für ihr Lächeln.
Geralt:
Zu seiner Überraschung wachte Geralt im Schlamm der Ställe auf, unter Plötzes behutsamer Obacht. Eigentlich wären diese Umstände nichts Ungewöhnliches für ihn, wäre da nicht dieses miserable Gefühl. Es war, als hätte er seine natürliche Resistenz gegen Gifte verloren. Die Begebenheiten der vergangenen Nacht waren nur eine verblasste Erinnerung, die er nur schwerlich wieder abrufen konnte. Was ihn aber am meisten verwunderte, war die Tatsache, dass er Rittersporns Laute unter seinem Arm geklemmt hatte. Als der Hexer die Laute näher begutachtete, wandelte sich Plötzes Mine zu einem seltsam menschlichen Ausdruck des Tadels. Als würde das Pferd ihm die Schuld zuschreiben für seine späte Rückkehr, die Trunkenheit und ...
Geralt zuckte zusammen. Er erinnerte sich plötzlich wieder an seine nächtlichen Eskapaden mit Rittersporn, insbesondere an einen gewisser narrenhaften Teil ihrer Konversation. Während sie ein unangenehmes Gespräch über vier wütende Gebrüder hielten, wechselte der Barde das Thema geschmeidig zum Loben brüderlicher Bande. Trotzdem hatten sie sich, während sie sich gegenseitig auf die Schulter klopften und ihre Männerfreundschaft über flüchtige Affären stellten, gegenseitig versprochen, die Stadt gemeinsam zu verlassen. Stattdessen geschahen die Dinge auf ganz andere Weise. Auf eine ganz fürchterliche Weise. Verdammt ... Nicht nur die Erinnerungen überkamen den Hexer, sondern auch der intensive Drang, Guleta schnellstens zu verlassen. Plötze starrte ihn nun nicht nur weiter an, sondern schnaubte auch vorwurfsvoll.
Mit einem schweren Seufzer erhob sich Geralt endlich vom schlammigen Boden, versteckte das Instrument in den Satteltaschen seines Pferdes und widmete sich wieder seiner Suche nach dem kindischen Musiker, dem poetischen Lügner, dem absoluten Vollidioten.
Kapitel 10Rittersporn:
Hochzeit.
Es wird eine Hochzeit geben. Davon hatte der Bräutigam, also Rittersporn, gerade von seiner Zukünftigen erfahren. Auch hatte er endlichen erfahren, dass ihr Name Kora lautete. So viel sollte man vor einer Hochzeit von seiner Braut wissen, dachte er.
Kora. Er warf den Namen erneut in seinen Gedanken umher. Eigentlich ein schöner Name, überlegte er, um sich selbst ein wenig zu beruhigen, während sich die sprichwörtliche Schlinge der Heirat langsam um seinen Hals legte. Um die Lage noch zu verschlimmern, war die Trauung obendrein für diesen Tag angelegt, auf den auch der zweite Tag der Festlichkeiten fiel, welcher, wie es sich herausstellte, eine einzige riesige Hochzeitsfeier war. Eigentlich war Koras Hand bereits einem anderen Mann versprochen worden. Doch ein Händler, sei er noch so wohlhabend, kann einem Adligen nun mal nicht das Wasser reichen, seufzte Julian Alfred Pankratz, Viscount de Lettenhove, besser bekannt als Rittersporn. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er seinen Titel preisgab. Der noble Poet konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, der Trauung überhaupt zugesagt zu haben. Allerdings hatte er den Eindruck, dass dies sowieso nie geschehen war. Koras ehemaliger Verlobter muss, so dachte er sich, gewiss ein widerlicher alter Mann gewesen sein, der nach Fisch – oder womit auch immer er sonst handelte – stank. Und die Teilnahme an einer Gruppenhochzeit statt der Veranstaltung einer privaten Zeremonie sprach auch dafür, dass es sich bei ihm keineswegs um einen Gönner handelte. Kein Wunder, dass sich die arme Maid so bereitwillig einem passenderen Mann versprach. Ein Adliger statt eines gierigen alten Mannes. Ihre Eltern müssen entzückt sein. Die Brüder werden sich endlich beruhigen und der alte Gatte wird ohne Mucken und Murren beiseite treten.
Die perfekte Hochzeit.
Geralt:
Begräbnis.
Es wird ein Begräbnis geben, davon war Geralt überzeugt. Insbesondere in Anbetracht der frohen Neuigkeiten, die er auf dem Markt gehört hatte. Jemand hatte bereits Gerüchte verbreitet, dass eine gewisse junge Dame namens Kora mit dem Viscount von Lettenhove liierte werde ...
Handelte es sich rein zufällig um die gleiche Maid, die ihnen in der Nacht begegnet war? Die gleiche Maid, die Rittersporn schreiend beschuldigte, für ihre Schande verantwortlich zu sein? Selbstverständlich versuchte der Barde sofort, sich mit seinen süßlichen Lügen herauszureden und er versprach, für jeglichen entstandenen Schaden geradezustehen. Doch als sie sich nicht beruhigen wollte, fiel aus seinem Munde ein ebenfalls erfundener Adelstitel. Kora schien dies nicht zu durchschauen, denn ihre Stimmung besserte sich umgehend und ihre Anschuldigungen und Drohungen verwandelten sich in Rufe nach ihren Brüdern und der Stadtwache. Kein wirklicher Grund zur Sorge, allerdings waren sie zur der Zeit besonders angetrunken und geistig umnachtet. Also ging Rittersporn mit ihr und ließ dem Hexer seine Laute zurück, mit dem Versprechen, dass er zurückkehren werde, sobald die Maid eingeschlafen war. Nun kam es Geralt eher so vor, als wäre es Kora gewesen, die sich aus dem Bett geschlichen hatte, um sich auf dem Markt mit den Leuten zu unterhalten. Ihre Familie arbeitete wahrscheinlich bereits daran, die zuvor geplante Feier umzugestalten, ohne zu wissen, dass ein mittelloser Künstler den Platz eines wohlhabenden Händlers eingenommen hatte. Geralt war sich sicher, dass die Wahrheit über den Bräutigam früher oder später ans Licht kommen würde. Ihre Brüder würden dann den Teer heizen und den Verlobten mit dem Henker bekannt machen.
Dann eine schnelle Beerdigung.
Kapitel 11Rittersporn:
Rittersporn hoffte, dass sich die Neuigkeiten über die Verlobung noch nicht allzu weit verbreitet hatten, damit er diese leichter absagen konnte. Doch als er die Tür öffnete, um die Kammer zu verlassen, erschien der Bürgermeister von Guleta höchstpersönlich, um das junge Paar mit seinen Glückwünschen zu überhäufen, wodurch er die kurzlebigen Hoffnungen des Barden umgehend zunichte machte. Diener konnten sich ein Grinsen kaum verkneifen, während sie ihnen eifrig dabei halfen, sich für ihre Zeremonie vorzubereiten. Draußen wartete zu seinem Entsetzen bereits eine Empfangsbereitschaft bestehend aus Koras vier Brüdern, die sich demonstrativ die Knöchel rieben. Sie willigten gnädigerweise ein, den Viscount nicht zu teeren und zu federn, solange er zu seinem Wort stünde, ein Teil ihrer Familie zu werden. Dann boten sie großzügig an, das neue Familienschloss zu bewachen, welches ihm als Viscount doch sicherlich gehöre. Rittersporn schluckte schwer. Wo sollte er auf die Schnelle bloß ein Schloss herbekommen? Eigentlich spielte es keine Rolle, was diese Halbstarken von ihm erwarteten. Er hatte keineswegs die Absicht, lange genug zu bleiben, um es so weit kommen zu lassen. Das eigentliche Problem war, dass er keine Ahnung hatte, wo zur Hölle er seine Laute gelassen hatte.
Stolz präsentierte ihm der Bürgermeister Tische überladen mit Essen, umgeben von gnadenlos plänkelnden Musikern zweiter Klasse. Am anderen Ende stand ein Hochzeitsbogen aus Blumen und Efeu, unter dem schon bald die Eheversprechen ausgetauscht werden sollten. Noch weiter in der Ferne fanden auf dem Marktplatz die Vorbereitungen für den Tanz statt.
Rittersporn richtete sich auf. Plötzlich hatte er großes Interesse an den Worten des Bürgermeisters.
Die Zeremonie stand kurz bevor.
Geralt:
Geralt hoffte, die Beerdigung verhindern zu können, indem er dem Barden zur Flucht verhalf. Dem Hexer kam kein Zweifel, dass Rittersporn früher oder später versuchen würde, seinem bevorstehenden Schicksal zu entgleiten. Also begab er sich zum Haus des Bürgermeisters, wo er sich erhoffte, den verkaterten Poeten mit seiner zukünftigen Braut anzutreffen. Stattdessen begegneten ihm bereits an den Toren des Anwesens einige bekannte Gesichter. Eine Hochzeitsfeier fand statt, angeführt vom Bürgermeister höchstpersönlich. Es schien, dass die junge Braut sogar ihre Brüder besänftigen konnte. Geralt wollte sich lieber nicht ausmalen, was sie ihnen dazu versprechen musste. Er versuchte, seine emotionale Distanz zur Situation zu bewahren. Der Hexer erinnerte sich selbst daran, dass er nicht zur Rettung des Poeten verpflichtet war, nur weil sie eine Nacht lang gemeinsam getrunken hatten. Versprechen, die in einem derartigen Zustand gemacht wurden, sind nicht ernst zu nehmen, dachte er, bevor er einen Schritt zurück in Richtung der Ställe machte. Doch dann kam Geralt die Laute in seinen Satteltaschen wieder in den Sinn. Er seufzte schwer und drehte sich um.
Der Hexer würde keine Verhaftung riskieren, nur um Rittersporn freizukämpfen, aber sicherlich konnte es nicht schaden, einfach auf eine Gelegenheit zu warten, um ihm zu helfen.
Bedauerlicherweise wichen weder die Braut noch ihre Brüder auch nur ein einziges Mal von Rittersporns Seite. Inzwischen hatte der Bürgermeister die Rolle eines gönnerhaften Gastgebers angenommen und führte seine Gäste auf dem Fest umher, während er ihnen regionale Gepflogenheiten und Rituale erklärte. Wie angespannt die Situation eigentlich war, schien ihm nicht bewusst zu sein.
Geralt folgte ihnen auf einiger Distanz und belauschte sie, bis er heraushören konnte, wann der Barde wohl seine Flucht wagen würde.
Kapitel 12Rittersporn:
Rittersporn tanzte.
Er tanzte mit ganzer Kraft. In Gulet verlangte die Tradition, dass der Bräutigam seine künftige Angetraute aus der dichten, tanzenden Menge retten musste. Erst dann durfte die eigentliche Trauung beginnen. Der Barde erkannte darin seine letzte Gelegenheit, aus dieser misslichen Lage zu entkommen. Leider waren sich seine künftigen Schwäger dieser Tatsache ebenfalls bewusst. Sie hatten seinen möglichen Fluchtweg vorsorglich blockiert und wollten ihn jetzt gegen seinen Willen zu ihrer Schwester Kora bringen.
So leicht gab Rittersporn jedoch nicht auf. Um ihn herum tanzten und lachten die Dorfbewohner und rempelten sich dabei fröhlich an. Glücklicherweise sorgte dies dafür, dass er seine Braut nicht erreichen konnte. Lebhafte Musik drang an seine Ohren, während sich die ganz Welt um ihn herum drehte. Dennoch fand der Barde einen Rhythmus in dieser Tollheit und tanzte seinen Weg hinaus.
Er umging den ersten Bruder mit ein paar geschickten Drehungen. Mit einem triumphierenden Grinsen trat er den zweiten, der daraufhin ungeschickt stolperte. Den dritten packte er bei der Hand und verdrehte ihm in einer eleganten Pirouette den Arm, bevor er ihn dann im richtigen Moment losließ, sodass sein Gegner das Gleichgewicht verlor. Der vierte war am schwierigsten zu besiegen. Rittersporn sprang nach rechts, er sprang nach links, er drehte sich abrupt – doch der Muskelprotz reagierte auf jede Bewegung so schnell wie ein Spiegelbild. Verzweifelt griff der Dichter zu einem einfachen Trick und machte einen Schritt rückwärts. Der dumme Ochse tat es ihm gleich, also ging Rittersporn weiter rückwärts, bis er sich plötzlich umdrehte und floh. Als er sich hinter den nächsten Stand duckte, hörte er Koras verzweifelten Schrei, doch er wagte es nicht, sich umzusehen.
Dies war seine Chance auf Freiheit, aber zuerst musste der Barde seine geliebte Laute finden. Und so wanderte er aufgebracht und alleingelassen durch die Gassen von Gulet auf der Suche nach dem Hexer. Voller Verzweiflung ging er letztendlich zum Stall in der Hoffnung, dass Geralt dieser grässlichen Stadt noch nicht den Rücken gekehrt hatte. Doch das Pferd des Hexers war nicht mehr da, und so seufzte Rittersporn enttäuscht, fiel auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Der Hexer, sein Ross und Rittersporns Laute waren sicherlich schon lange fort. Wieder einmal war Rittersporn ganz allein, seiner Besitztümer beraubt und unverdient vom Schicksal bestraft.
In diesem hoffnungslosen Moment tauchte ein Schatten hinter ihm auf. Ein Schatten mit Zügeln in einer Hand und einer Laute in der anderen. Ein Schatten, dessen Stimme rau vom Wodka war, und die dem Barden sagte, er solle seinen Arsch hochhieven.
Rittersporn wandte sich voller Freude über diese glückliche Wendung um.
Er wusste einfach, dass dies erst der Anfang ihrer gemeinsamen Abenteuer war.
Geralt:
Geralt tanzte nie.
Zumindest versuchte er, es weitgehend zu vermeiden, denn um sich durch die Meute vor ihm zu drängeln, musste er immer wieder zur Seite hüpfen oder jemanden wegschieben. Der Hexer suchte wieder einmal nach Rittersporn, der sofort von der Menge verschluckt worden war, als es mit dieser unsinnigen Tradition losging. Stattdessen erblickte er nur einen wohlhabenden aber alten Händler, der vom Verhalten seiner abweisenden Verlobten verwirrt schien. Ob sie dem armen Narren schon von ihren neuen Plänen erzählt hatte?
Geralt ging entschlossen weiter. Einige der tanzenden Stadtbewohner versuchten, ihn aufzuhalten, wenn auch nicht sehr erfolgreich. Die Musik dröhnte immer lauter, was jegliche Gespräche unmöglich machte. Trotz dieses Wahnsinns erspähte der Hexer endlich einen auffälligen Hut in der Menge, der mit einer Reiherfeder geschmückt war. Der Besitzer des Huts stand – und hiervon war Geralt kein bisschen überrascht – im Schatten von vier ihm wohlbekannten Schlägern.
Geralt vergeudete keine Zeit und schubste den ersten der Brüder mit ganzer Kraft in die Menschenmenge und damit weg von Rittersporn. Dann überwältigte er den zweiten und warf ihn zu Boden, sodass dieser direkt vor den Füßen des Dichters landete. Den dritten hielt er am Handgelenk fest, während der Barde ein paar idiotische, nutzlose Pirouetten aufführte. Diesem Spektakel bereitete der Hexer ein Ende, indem er dem Halunken ein Bein stellte und ihn so auf den Rücken fallen ließ. Den vierten zu erledigen, dauerte dann eine gefühlte Ewigkeit, was ganz und gar an Rittersporn lag. Der Dichter führte sich auf wie ein Hofnarr und versuchte sich an zahlreichen Finten, bevor er endlich die Flucht ergriff. Der Schläger, der ihn gerade verfolgen wollte, drehte sich stattdessen um, als er Koras plötzliches Schreien vernahm. Deren ursprünglicher Verehrer umklammerte das arme Mädchen besitzergreifend, während sie mit kläglichen Blicken in der Menschenmenge nach ihrem poetischen Retter suchte. Dieser war natürlich nirgendwo zu sehen. Mittlerweile hatte der Hexer die Nase gestrichen voll davon, sich mit den Angelegenheiten anderer Leute herumzuärgern, also drehte er sich um und machte sich wieder zum Stall auf.
Als er eintrat, sah er den Barden auf dem Boden und lächelte ein wenig. Rittersporn kniete in einer dramatischen Pose und ahnte offensichtlich nicht, dass er nur nach links blicken müsste, um seine Laute aus Plötzes Satteltasche ragen zu sehen. Also lächelte Geralt, nahm das Instrument in die Hand und sagte dem tollpatschigen Narren, er solle sich zusammenreißen, damit dieses erbärmliche Theater langsam mal ein Ende hatte.
Etwas später, als Geralt im Sattel saß und Gulet fast schon hinter sich gelassen hatte, schaute er sich um und sah, dass der Barde ihm folgte. Rittersporn war wohl entschlossen, mit dem Hexer zusammen weiterzuziehen, sogar bis zum Rande der Welt.